Schriftlicher Teil | 2012/02/02

Hier der schriftliche Teil meiner Diplomarbeit zum Nachschlagen. Die Videos dazu finden sich auch im Diplom-Blog. Zum bequemeren Lesen hier das PDF mit Bilder und Videos als QR-Codes als Download oder hier im internen Betrachter.

Mäusekino - Konzeption und Entwurf eines Kurzfilms über Aufstieg und Niedergang des Disney-Konzerns

Diplomarbeit von Martin Schochow
Prüfer:Dr. Reiner Nachtwey, Mehdi Javaheri
2012


Theoretische Vorarbeit

Kreative Vorarbeit

Inhalt:

1 Vorwort
2 Motivation
3 Geschichte Animation
3.1 Puppenspiel
3.2 Trickfilm
4 Geschichte Disney
4.1 Biografie
4.1.1 Kindheit

4.1.2 Lehrjahre
4.1.3 Durchbruch
4.1.4 Abendfüllend
4.1.5 Krise
4.1.6 Disneyland
4.1.7 Animatronics
4.2 Charakterisierung
4.3 Ära ohne Walt
4.4 Eisner-Ära
5 Bestandsaufnahme Disney
6 Marionette im Film
6.1 Augsburger Puppenkiste
6.2 Thunderbirds
6.3 Team America World Police
6.4 Being John Malkovich
6.5 Strings
7 Disney als Thema
7.1 Shrek

7.2 Epic Mickey
7.3 Enchanted
8 Filmisches Konzept
9 Quellen & Videoindex

Inhalt

1 Analyse Einstiegsszene
2 Skizzen
3 Storyboard
4 Titel
5 Kameratests
6 Papermatic
7 Visuelle Inspirationen
7.1 Real
7.2 Medial
8 Entwicklung Kulisse
9 Entwicklung Charakter
10 Quellen & Videoindex

 

1 Vorwort 

Zu besseren Unterscheidung zwischen der Person Walt Disney und dem gleichnamigen Konzern wird die Person immer mit dem Vornamen Walt gekennzeichnet.

Auf asiatisches Papier- und Schattentheater sowie asia­tischen Zeichentrick gehe ich nicht weiter ein, da das Haupthema Disney ausgesprochen westlich geprägt ist.

Die Verweise auf Online-Quellen sind im Literatur­verzeichnis zusätzlich mit Stand und QR-Code versehen.

 

2 Motivation

2008 fiel mir durch Zufall ein Hörbuch in die Hände: Neal Gablers Walt Disney -
Triumph of the American Imagination. Nach 33 Stunden Laufzeit musste ich mein gesamtes Bild von Disney hinterfragen. Meine erste Kino-Erfahrung war Arielle, und auch sonst wuchs ich mit allgegenwärtiger Disney-Sozialisierung auf. Trotz diesen positiven Erfahrungen habe ich aber irgendwann in der Jugend Disney abgeschrieben.

Was ist da passiert? Bin ich zu alt geworden? Oder waren die Filme um die Jahr­­tausend­wende einfach Schrott? Je weiter ich in die Materie einstieg und ein paar Disney-Klassiker aufmerksam geguckt habe fragte ich mich: Würde sich Walt Disney heute im Grabe umdrehen?

3 Geschichte Animation | 3.1 Puppenspiel

“Wir wollen jedes von uns lebendigen Wesen als eine wunder­voll künstliche Marionette ansehen, von den Göttern geschaffen - gleichviel ob zu ihrem Spielzeug oder im Ernst zu irgendwelchem Zweck; denn das können wir nicht wissen." Platon, Nomoi - Die Gesetze, Übersetzung von Eduard Eyth

(Platon - Sämtliche Werke III, 1982, Verlag Lambert Schneider, Heidelberg)

Platon beschreibt schon 347 v. Chr. eine Gliederpuppe mit Fäden, in einigen Übersetzungen wird auch von Drahtpuppen gesprochen. Die noch früher datierte Erfindung der Handpuppe wird schon den Persern zugeschrieben, allerdings stellen Platon (und Aristoteles) die ersten schriftlichen Erwähnungen in der westlichen Welt dar. Die heutige Bezeichnung Marionette kommt aus dem Französischem und bezieht sich vermutlich auf animierte Statuen der Maria. Tankred Dorst beschreibt in Geheimnis der Mario­nette eine Schaustellung zu Mariä Himmelfahrt im französischem Dieppe des 15. Jahrhunderts. In der Kirche St. Jacques baute man damals eine Bühne auf. Dann wurde in einem Spiel eine Marienfigur von schwebenden Engeln angehoben und konnte Arme und Kopf bewegen (Dorst 1957 S.11f).

Die Online-Enzyklopädie des deutschen Puppen- und Figurentheaters

(http://www.fidena.de - Deutsches Forum für Figurentheater und Puppenspielkunst, Bochum)

datiert die ersten Belege für das Handpuppenspiel in Deutschland auf das Jahr 1211. (Kratochwil 2011). Als erste Marionetten sieht Kratochwil italienische Stabmarionetten Mitte des 17. Jahrhunderts an.

Das Marionettentheater oder die Handpuppen waren lange eine echte Konkurrenz zu Darbietungen mit lebendigen Schauspielern. So waren sie in England eine Alternative, als dort im 17. Jahrhundert die normalen Theater verboten waren (Dorst 1957 S.3). Er beschreibt auch Gruppen, deren Schauspieler auch Marionetten bedienten und je nach Gelegenheit die Art der Aufführung wechselten.

Heinrich von Kleist vergleicht in seinem 1810 erschienen Text Ueber das Marionettentheater die beiden Gattungen genauer. Er beschreibt die Vorteile der Marionette im Spiel, da sie seelenloser sei und dadurch weniger verkopft spiele. Allerdings sollte der Text wohl eher eine Kritik an den Berliner Bühnen darstellen, als eine ehrliche Anerkennung der Leistungen der “für den Haufen erfundene Spielart” (Kleist 1810).

Auch inhaltlich waren die Stücke des normalen Theaters und der Marionetten oft identisch und wurden unverändert auf die kleinere Bühne übertragen. Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die Theaterstücke jedoch subtiler und weniger symboldurchsetzt, so dass das Marionettentheater eine eigene Sprache finden musste (Dorst 1957 S.46). Maßgeblich verantwortlich hierfür ist ab 1858 Franz Graf von Pocci, dessen Stücke sich von der Imitation von Schauspielern lösen und bis heute das volkstümliche Marionettenspiel prägen (Dorst 1957 S.40ff).

Pocci (und viele andere) benutzt neben weiteren Charakteren auch die Figur des närrischen Protagonisten. Seinen Ursprung fand er im italienischen Pulcinella, in England ist er als Punch bekannt. Im deutschsprachigem Raum betrat er 1708 in Wien als Hans Wurst die Bühne und wurde 1769 verboten. Daraufhin wurde er als optische gleiche Figur unter dem Namen Kasper/Kasperl wiedergeboren. Der Charakter dieser Figuren ist meist ähnlich: Triebhaft, regelwidrig, komisch und manchmal brutal. Der eher körperliche und volksnahe Humor wurde meist per Handpuppe realisiert. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Figur im Zuge einer umfassenden Puppenspielzensur zivilisiert. “Aus dem finsteren Totschläger wird der verschmitzte Prügler, der den Dialekt seines Publikums spricht.” (Kratochwil 2011). Kasper wurde mehr und mehr zur Kinderfigur. Heute wird er oft pädagogisch eingesetzt und mahnt so trotz seiner anarchischen Wurzeln z.B. zum Einhalten der Verkehrsregeln und der Zahnhygiene.

Anfang des 20. Jahrhunderts war das Puppentheater folglich primär Kinderbelustigung und lange kein Leitmedium mehr. Der hohe Abstraktionsgrad machte es jedoch für einige Künstler interessant. So ließ Oskar Schlemmer seine Tänzer im Triadischen Ballet in geometrischen, starren und puppenhaften Kostümen auftreten. Eine erste Vorstufe führte er schon 1916 auf. Es tanzten Elsa Hotzle, Albert Burger und Oskar Schlemmer selbst unter dem Pseudonym Walter Schoppe. Die offizielle Premiere erfolgte am 30.09.1922 im Würtenbergisches Landestheater. Die letzte Aufführung war 1935 bei einem Pariser Tanzwettbewerb, das Trio belegte den 6. Platz. (Oskar Schlemmer - Tanz Theater Bühne - Austellungskatalog. Kunstammlung NRW, Düsseldorf, Kunstsammlung Wien, Sprengel Museum Hannover, Bühnen Archiv Oskar Schlemmer, 1994, S.156ff)

Schlemmers Figurales Kabinett stand mehr in der Tradition des Schau-Automaten. Er schuf diese mechanische Puppenspiel 1922-1923 als sein erstes großen Bühnenwerk am Bauhaus. Es parodierte die Mechanisierungswut der Epoche. Weitere Aufführungen erfolgten 1926 in Frankfurt und 1927 in Halle (Oskar Schlemmer - Tanz Theater Bühne S.204).

 

3 Geschichte Animation | 3.2 Zeichentrick

Hauptquelle: Cartoons - One hundret Years of Cinema Animation von Giannalberto Bendazzi, 1994 London

Zeichentrick ist älter als Film. Denn lange vor den Brüdern Lumière gab es etliche optische Spielzeuge, Drehscheiben und Apparaturen, die sich die Trägheit des Auges zu nutzen machten, um die Illusion von Bewegung zu Erzeugen. Und vor der Fotografie war die Zeichnung schlicht der einzige Weg, Bewegungs­phasen abzubilden.

Aber der erste Zeichentrickfilm stammt von Emile Reynaud. Der französische Erfinder konnte 1888 mit seinem Théâtre optique einen Film auf eine Leinwand projizieren. So konnte erstmals ein Publikum angesprochen werden, nicht nur ein einzelner Betrachter. Außerdem arbeitete Reynaud schon mit einer Form von Filmrollen und konnte so längere Abläufe zeigen, als Verfahren mit sich immer wiederholenden Bildscheiben. Das durch die Gebrüder Lumière entwickelte Kinosystem verdrängte Reynauds Konstruktion sehr schnell, da es erheblich leichter zu bedienen war. Reynaud zerstörte seine drei Apparate frustriert und verstarb verarmt (Bendazzi 1994 S.4f).

Die ersten 20 Jahre des Zeichentricks waren chaotisch. Es gab verschiedenste Formen von Zeichentrick, Stop-Motion, Realfilm Zeichenelementen und zahlreiche Mischformen all dieser Techniken. Auch der Inhalt war wenig strukturiert, zu sehen z.B. bei den Filmen von Emile Cohl. Doch einige Pioniere schufen Techniken, die bis zum Einsatz von Computern in der Animation benutzt wurden: Roul Barre setzte 1912 perforiertes Papier ein und reduzierte so das Springen der Bilder. John Randolph Bray führte 1914 die Graustufen ein. Und Earl Hurd benutzte 1914 zum ersten mal durchsichtige Cellulose-Folien; hiermit konnte endlich der Vordergrund unabhängig vom Hintergrund animiert werden. (Bendazzi 1994 S.20f)

Aber 1914 sollte auch das Jahr der inhaltlichen Neuausrichtung werden: Winsor McCay zeigte am 18.02.1914 Gertie the Dinosaur. McCay stand vor der Bühne und gab vor, dass der Saurier im Film dressiert sei. Die Qualität der Animation setzte einen neuen Standard. Nicht nur waren die Zeichnungen erstklassig, auch das Timing war revolutionär: Es war nicht auf die Logik des Zeichnens abgestimmt, sondern auf das Publikum. Außerdem war Gertie in der Lage, Emotionen zu transportieren: Schüchternheit, Freude, Trauer. Somit zeigt McCay die erste wirkliche “Character-Animation” (Bedazzi 1994 S.16f).

Während sich in Amerika langsam eine Unterhaltungs-Industrie herausbildete, war Zeichentrick in Europa eher abstrakt und experimentell. Gute Beispiele hierfür sind Oskar und Hans Fischinger. In Deutschland schuf Lotte Reiniger 1926 Europas ersten langen Trickfilm mit dem Silhouette-Werk Die Geschichte des Prinzen Achmed. Hans Fischerkoesen lag mit Stil und Qualität am ehesten an der amerikanischen Konkurrenz, z.b. mit Die verwitterte Melodie von 1942. Allerdings bildeten sich in dieser Zeit keine beständigen Charaktere und wenige Werke sind heute noch allgemein bekannt.

In den 1920ern der USA war dies anders: Die Fleischer Brothers hatten mit Out of the Inkwell eine bekannte Marke aufgebaut (Bendazzi 1994 S.54f). Paul Terry zeigte in Aesops Fables wöchentlich neue Tiergeschichten (Bendazzi 1994 S.57f). Im Studio von Pat Sullivan schuf Otto Messmer ab 1919 Felix the Cat, der lange eine Art Prototyp des Comic-Characters sein würde (Bendazzi 1994 S.55f). Erfolg hieß bei diesen Studios, dass sie überhaupt überlebten. Denn das Publikum und die Verleiher nahmen die kurzen Trickfilme als Lückenfüller zwischen Nachrichten und Hauptfilm wahr. In diesem prekären Markt wollte ein junger Mann aus Kansas Fuß fassen und zog 1923 mit 40$ in den Taschen nach Hollywood.

4 Disney | 4.1 Biographie | 4.1.1 Kindheit

Walt Disney ist eine Kunstfigur. Für uns ist Walt Disney am ehesten ein Logo, passenderweise eine künstliche Unterschrift (Gabler 2006 sXIX). Für das amerikanische Publikum war er zu seinen Lebzeiten der Märchenonkel der Nation, ein sorgsam gepflegtes Image. Er selbst beschrieb seine Identität einmal so: “I’m not Walt Disney anymore. Walt Disney is a thing. It’s grown to a whole different meaning than just one man.” (Gabler 2006 sXIX).

Die Person Walter Elias Disney wurde am 05.12.1901 in Chicago geboren. Über seine Mutter Flora Disney wird er Zeit seines Lebens so wenig reden, dass Richard Schickel in Walts Filmen auch das Thema der abwesenden Mutter erkennt (Schickel 1997 S.266). Viel mehr ist über Walts Vater, Elias Disney bekannt. Prägend war dessen Unternehmensgeist: Obwohl er wiederholt scheiterte, versuchte sich Elias immer wieder in verschiedenen Geschäftsfeldern, von der Orangenzucht über das Hotelgewerbe bis zum Zeitungs­­handel. Dabei zog er immer die riskante Selbständigkeit der etwas sicheren Lohnarbeit vor. Auch sein Misstrauen gegenüber Banken erbte Walt von seinem Vater (Schickel 1997 S.49).

1906 kaufte Elias eine Apfelfarm in Marceline, Missouri. Die Zeit in der damals 4500 Einwohner zählenden Kleinstadt sollte Walts kurze Kindheit darstellen und seine Wünsche und Werke bestimmen. Zum einen durch das Thema der Farm mit seinen Tieren und dem zeitlosen Charakter des Bauernhofes an sich (Schickel 1997 S.50). Zum Anderen durch die Einbindung in die Kleinstadtgesellschaft.

Dass sich Walt Zeit seines Lebens in seinen Filmen und Studios versuchte eine Gemeinschaft (Community) aufzubauen, ist das immer wiederkehrende Thema von Gablers Biographie (Gabler 2006 S.18). Marcelines Stellenwert ist auch daran messbar, dass die Hauptstraße und einziger Zugang Disneylands eine idealisierte Nachbildung Marcelines aus Walts Erinnerungen ist.

1911 musste Walts Vater die Farm verkaufen und zog nach Kansas City. Dort erwarb er eine Vertriebslizenz für eine Zeitung. Dies bedeutete, dass seine Söhne in der Nacht Zeitungen austragen mussten (Gabler 2006 S.19ff). In dieser Phase konnte Walt neben der Schule auch sein Hobby des Zeichnens durch Teilnahme an einigen Kursen ausbauen.

1918 trat er freiwillig dem Roten Kreuz bei, da dies für ihn die einzige Möglichkeit war, am 1. Weltkrieg teilzunehmen. Nach einem einjährigen Aufenthalt in Frankreich kehrte er erwachsener zurück und löste sich mit 17 Jahren von seinem Vater (Gabler 2006 S.41f).

4 Disney | 4.1 Biographie | 4.1.2 Lehrjahre

Nach einer kurzen Lernphase als Illustrator verlor Walt diesen Arbeitsplatz und machte sich mit dem Leidensgenossen Ubbe Iwwerks in Kansas City selbständig. Allerdings wurde “Iwwerks-Disney” kurze Zeit später aufgegeben, da ihnen Aufträge fehlten und Walt bald zur Finanzierung seiner Selbständigkeit einen Vollzeitjob annehmen musste (Gabler 2006 46ff).

Diese Anstellung bei der Slide Company war Walts erster Kontakt mit einer einfachen Art des Trickfilm: Figuren wurden gezeichnet, zerschnitten und in einer Art Stop-Motion animiert. Er konnte sich dort auch eine Kamera leihen und Nachts in einer gemieteten Garage experimentieren.

Animation faszinierte ihn, vielleicht auch, weil er mit dieser Technik Kontrolle über eine heile Fantasiewelt ausüben konnte (Gabler 2006 S. 57). 1921 verkaufte er zum Selbstkostenpreis seine erste Animation an ein Kino (Gabler 2006 S. 57). Er baute ein kleines Team auf und animierte Märchenadaptionen und eine Real-Trickfilm-Mischung namens Alice’s Wonderland. Seine Versuche waren lehrreich aber finanziell erfolglos und so gab er auf, verkaufte seine Kamera und stieg 1923, nur mit einer Demo-Rolle von Alice im Gepäck, in den Zug nach Hollywood.

Von Hollywood aus konnte er dann nach einigen erfolg­losen Bewerbungen weitere Alice-Folgen als Auftrags­arbeit produzieren und baute ein neues kleines Studio auf. Erfolg hatte er erst, nachdem er Ubbe Iwwerks (der sich jetzt Ub Iwerks nannte) nach Hollywood holte und Ubs Talent die Qualität der Filme sichtbar steigerte (Gabler 2006 S. 86). Nachdem Alice ausgeschöpft war und auslief, schuf Disney die Figur Oswald the Lucky Rabbit auf Wunsch seines aktuellen Verleihers Charles Mintz. Oswald war erfolgreich und nach Verhandlungsschwierigkeiten stellte Disney fest, dass er nicht im Besitz der Rechte an Oswald war und verlor diese Einnahmequelle. Außerdem wechselten vier seiner Animatoren zu Mintz. Nach diesem Vorfall gab Disney nie wieder Rechte dauerhaft oder komplett aus der Hand. Dieses Geschäftsprinzip sichert der Firma Disney bis heute Einnahmen.

 

4 Disney | 4.1 Biographie | 4.1.3 Durchbruch

Gabler beschreibt oft, dass der Erzähler in Walt Disney auch vor seiner eigenen Biographie nicht halt macht. Und so zählt er einige Legenden über die Erschaffung von Mickey Mouse im Jahre 1928 auf (Gabler 2006 S.111ff): Die Maus sei inspiriert von Walts Studio-Haustier in Kansas, seine Frau habe den Namen ausgesucht und diverse andere Details. Belegt ist auf jeden Fall, dass in einigen früheren Alice- und Oswald-Cartoons schon sehr ähnliche Mäuse vorkamen. Iwerks verfeinerte die Form und achtete darauf, dass die neue Maus schnellstmöglich animierbar war. Außerden sollte die Grundform auch schnell für andere Tiere nutzbar sein. Noch unromantischer ist, dass es 1921 schon zwei “antropomorphe Mäuse Namens Mickey und Minnie” gab, erschaffen von Jonny Gruell (Reitberger 1979 S.39). Letztendlich ist Mickey ein aus wirtschaftlicher Not geborener Oswald mit kurzen Ohren. Was Mickey jedoch von all den früheren, heute nahezu unbekannten, Charakteren unterscheidet, war sein Taktgefühl...

Bis zu Mickey wurden Trickfilme wie alle anderen Stummfilme auch meist von einem Pianisten begleitet. 1927 brachte Warner mit The Jazz Singer den ersten Tonfilm in die Kinos. Walt erkannte das Potential, trotz hoher Kostenrisiken, Patentfallen und technischer Komplexität. Als am 18.11.1928 mit Steamboat Willie der erste Mickey Cartoon seine Premiere feierte, war dies eigentlich nicht der allererste Tontrickfilm. Aber Disney wollte seinem Cartoon nicht einfach nur Musik und Effekte beilegen. Ein Zeichner sagte später, Walt hätte darauf bestanden, dass alle Klänge so erscheinen, als würden sie direkt vom Charakter ausgelöst (Gabler 2006 S.117). Hier zeigt sich zum ersten Mal deutlich, wie sich Walts Qualitätsbewusstsein auszahlte. In einer wirtschaftlichen Notlage produziert er einen sehr teuren Cartoon, ohne zugesicherte Verleiher. Steamboat Willie wurde ein Hit, ein neuer Qualitätsstandart war geboren. Finanzieller Erfolg stellte sich allerdings erst langsam ein, da Walt darauf bestand, die Rechte nicht abzugeben und so die üblichen Verleiher seine Filme nicht vertreiben wollten. Aber er beschloss auf den kurzfristigen Profit zu verzichten. Eine profitable Entscheidung, von der New York Times anlässlich Disneys Ableben am 16.12.1966 so zusammengefasst: “Walt Disney, 65, Dies on Coast; Founded an Empire on a Mouse” (http://www.nytimes.com/learning/general/onthisday/bday/1205.html)

Ein weiterer kostspieliger Meilenstein war 1932 Flowers and Trees, der erste Trickfilm im neuen Technicolor 3-Farb-Prozess.

(http://de.wikipedia.org/wiki/Technicolor_(Verfahren)

Dieser Film brachte Walt zusammen mit einem Ehrenpreis für die Erschaffung von Mickey Mouse seine zwei ersten Oscars ein; insgesamt sollte er 22 gewinnen. Das Disney Studio dominierte die Kinos und die Oscarverleihungen, war aber finanziell immer noch prekär, da die Cartoons im Vergleich zu ihrer Lauflänge und Verkaufpreisen extrem teuer waren. So kostete z.B. The Band Concert mit Mickey und Donald ca. 12.500$ pro Minute (88.000$ für 7min, nach Reitberger 1979 S.51); mehr als z.B. das Piraten-Spektakel Captain Blood mit Errol Flynn aus dem gleichen Jahr zu 10.000$/min. (http://www.imdb.com/title/tt0026174/)

Diese hohen Kosten zeigen das zweite Geschäftsprinzip Walts: Quersubventionierung. Seine erste Lizenz für Merchandising vergab Walt 1930 eher zufällig für 300$ (Gabler 2006 S.141).

Für das Jahr 1934 generierte die Abteilung Disney Merchandising unter der Führung von Herman Kamen 35 Millionen Dollar Umsatz und revolutionierte dieses Geschäftsfeld (Gabler 2006 S.196f). Walts Qualitätsanspruch war eigentlich unökonomisch. Aber letztendlich war er der Meinung, dass man zur Stärkung der Marke Disney auch unwirtschaftliche Filme machen muss. So wurden z.B. in späteren Jahren weiterhin Kurzcartoons produziert, obwohl dafür kaum ein Markt existierte. Diese Praxis wurde nach Walts Rückzug aus der Animationabteilung stark reduziert und später fast eingestellt. (http://www.duckipedia.de/index.php5?title=Liste_aller_Disney_Cartoons)

 

4 Disney | 4.1 Biographie | 4.1.4 Abendfüllend

Gestärkt durch erfolgreiche Kurzfilme und Merchandising, optimierte Walt sein Studio. Er heuerte massiv Zeichner an und schulte sie intensiv. Es konnte bis zu 10 Jahren dauern, bis ein Zeichner eigenverantwortlicher Animator wurde (Gabler 2006 S.230). Aber Walt verfolgte ab 1934 ein ehrgeiziges Ziel: Er wollte einen abendfüllende Trickfilm produzieren! Als Thema wählte er das Märchen Schnewittchen. Neben dem Bekanntheitsgrad lag ihm vielleicht das Thema nah: Die Flucht vor den Eltern und der Suche nach einer neuen Gemeinschaft. Das bei imdb.com genannte Budget beträgt zwei Millionen Dollar, ungefähr die Größenordnung des zeitnah erschienenen Realfilms The Wizard of Oz. Gabler nennt als Aufwand über 600 Beschäftigte, 250.000 Zeichnungen und 200 Jahre in Mannstunden. Das beschreibt aber das Risiko nur unzureichend: Es ist nicht ersichtlich, wie das Training und der Aufbau des Studios in die Budgetberechnungen eingeflossen sind. Aber wenn Snow White and the Seven Dwarfs ein Flop gewesen wäre, hätte Disney kaum Verwendung für diese Kapazitäten gehabt. Immerhin hatte er auch deshalb einen abendfüllenden Kinofilm angegangen, weil der Markt der Shorts einfach zu wenig Planungsicherheit bot und die Cartoons nur als Lückenfüller gehandelt wurden. Auf jeden Fall polarisierte der Plan; für Zeichner war der Film eine Möglichkeit ihr Medium auf eine neue Stufe zu heben. Für Andere war die Vorstellung eines stundenlangen Cartoons absurd, eine Zeitung nannte es “Disney’s Folly - Disneys Wahnwitz” (Gabler 2006 S.270). Sowohl Gabler als auch Schickel benannten ihr Kapitel über Snow White nach diesem Zitat.

Walts hoher finanzieller und persönlicher Einsatz lohnte sich nach der Premiere 1937. Snow White ist sein wahrscheinlich größter persönlicher Triumph: Ein Oscar, 66 Millionen Dollar Einspielergebnisse in den USA beim ersten Verleih. Und ein Animationsstandart, der auf Jahrzehnte nicht übertroffen wurde. Snow White ist auch Walts persönlichster Film. Um so befriedigender, dass nicht nur das Publikum begeistert war.Auch Kritiker, Hollywood und Künstler waren voll des Lobes (Gabler 2006 S.272ff). 1937 war Walt Disney Avantgarde.

1940 erschien Pinocchio, mit sehr ähnlichen Zutaten erstellt und ähnlich rezipiert. Der im selben Jahr erschienene Fantasia war Walts nächster Schritt, den Zeichentrick auf ein höheres Level zu heben (Reitberger 1979 83ff). Er versuchte, zusammen mit dem Dirigenten Leo Stokowsky, klassische Musik einem breiteren Publikum nahe zu bringen. Der Musikfilm spaltete die Kritiker: Manche begrüßten das gewagte Experiment, viele Liebhaber der klassischen Musik kritisierten die zu freie visuelle Interpretation der Stücke. Auch die Adaption der Musik wurde von vielen als respektlos empfunden. Selbst das Publikum nahm den Film nicht an, es war von Disney einfach anderes gewohnt und Fantasia enthält sehr abstrakte Elemente, die 1940 im populären Kino schockiert haben müssen. So z.B. Sequenzen von Neuzugang Oskar Fischinger, die allerdings von Disneys Zeichnern so weit verändert wurden, dass Fischinger die Kollaboration abbrach und er nicht in den Credits auftaucht. Dabei war es laut Bedazzi sogar ursprünglich Fischingers Idee, Stokowsky für einen Trickfilm auf Basis von Bach anzusprechen, allerdings ging der Dirigent dann mit diesem Projekt zu Disney (Bedazzi 1994 S.122).

Technisch war der Film mit Mehrkanal-Ton und seiner visuellen Kraft ein Meilenstein. Aber künstlerisch war Fantasia für Walt ein Wendepunkt: Hier stieß das bisher von der Avantgarde gepriesene Wunderkind ohne Highschool-Abschluss an seine Grenzen. Reitberger stellt fest, dass sich Walt seit dieser Erfahrung auf eine “Anti-Kunst-Position” (Reitberg 1979 S. 96) zurückzog. Er pflegte daraufhin sein Image als ungebildeter einfacher Mann des Volkes. Ein Verlust, denn nach Fantasia sollte Walt keine Experimente dieser Art wagen und es gab folglich keine Ausbrüche mehr aus dem gewohnten Disney-Stil.

4 Disney | 4.1 Biographie | 4.1.5 Krise

Die Disney Studios strauchelten ab 1940: Fantasia war ein Flop. Der zweite Weltkrieg ließ die Einnahmen aus Europa versiegen. The Reluctant Dragon von 1941 war ein verzweifelter Versuch an Geld zu kommen; der günstig produzierte Realfilm mit Cartoonelementen ist eine filmische Tour durch das Studio. Für Filmhistoriker hochinteressant, war er für das Publikum eine Enttäuschung. Und während im Film die glückliche Familie der Zeichner gezeigt wird, streikten in der Realität viele MitarbeiterInnen vor dem Studio. Walt sah dies als Verrat seiner Ersatzfamilie an und reagierte oft ungeschickt (Gabler 2006 S. 360ff).

Bambi war 1942 aufgrund der Mischung von Realismus und Niedlichkeit mit knapp einer Millionen Einspielergebnissen kein großer Erfolg (Reitberger 1979 S. 101f). Damit die Studiokapazitäten nicht brach lagen produzierte Disney bis Kriegende im Auftrag der Regierung Propagandafilme und Schulungsmaterial für das Militär. Diese Arbeit war nicht sehr einträglich, aber die Filme waren billig zu produzieren und Walt wollte sich nicht von seinem sorgsam ge­schulten Personal trennen.

Walt fühlte sich in seinem Studio durch den Streik so unwohl, dass er dankbar das Angebot annahm, im Auftrag der USA den südamerikanischen Kontinent als künstlerischer Botschafter zu bereisen (Gabler 2006 371). Das einzige ihn persönlich interessierende Projekt in dieser Phase war der von ihm 1943 angetriebene Werbefilm für den Bombenkrieg Victory trough Airpower. Auch nach dem Krieg, musste sich Disney lange sammeln, bis er wieder ausreichende Mittel für einen langen Zeichentrickfilm hatte und 1950 gelang ihm mit Cinderella wieder eine Rückkehr zur alten Form. Aber gleichzeitig zog sich Walt mehr aus dem Studio zurück. Vielleicht weil er im Zeichentrick alles er­reicht hatte. Vielleicht, weil er nach dem Streik nie wieder die Atmosphäre der Snow White-Ära im Studio verspürte (Gabler 2006 S.492). Auf jeden Fall investierte Walt seine Begeisterung in ein neues Projekt: Disneyland.

 

4 Disney | 4.1 Biographie | 4.1.6 Disneyland

Walts Bruder Roy erschuf die Firma WED Enterprises (Walter Elias Disney). WED wiederum verkaufte den Disney Studios die Lizenzen an Walts Namensrechten für 3000$ die Woche (Gabler 2006 S. 493). So hatte Walt genug Mittel, einen lange gehegten Traum zu erfüllen: Seinen eigenen Freizeitpark. Er kaufte 65 Hektar Land in Annaheim, Kalifornien. Den Park selbst plante er wie einen Film. Cartoonzeichner malten die Attraktionen, Bühnenbildner bauten die Sets. Und wieder waren Walts Ansprüche gewaltig: Er hegte eine Abneigung gegen die seiner Meinung nach schmuddeligen Jahrmärkte mit ihren unseriösen Budenbetreibern; sein Disneyland sollte nicht weniger werden als der perfekte Freizeitpark. Von der Achterbahn bis zum Reinigungspersonal. Und er war fest davon überzeugt, dass sich die enormen Kosten von 17 Million Dollar lohnen würden.

Walt nahm eine Hypothek auf sein Haus und seine Lebensversicherung auf, suchte Kleininvestoren und Banken, aber letztendlich sollte das Fernsehen seinen Park finanzieren. In einer Zeit, in der die größten Teile Hollywoods das Fernsehen noch als Bedrohung wahrnahmen, finanzierte der Sender ABC ein Drittel Disneylands. Im Gegenzug verplichtet sich Walt für sieben Jahre eine wöchentliche Fernsehsendung zu produzieren. Und wieder subventionierte Walt quer: Ihm waren die Kosten für die Sendung egal, denn er sah sie primär als eine Werbemöglichkeit. Er nannte die Sendung auch einfach Disneyland und zeigte immer wieder Berichte über den Bau am Park oder Reportagen über neu erscheinende Disneyfilme. In Deutschland lief übrigens ab 1991 ein ähnlich gelagertes Programm namens Disney Club auf ARD, ein Jahr vor Eröffnung des europäischen Disneyland in Paris. Aber im unterentwickelten Fernsehen der 50er war Disneyland dank seiner Familienfreundlichkeit ein viel größerer Erfolg und brachte Einschaltquoten über 50% (Gabler 2006 S.512).

Nach einem Jahr Dauer­werbung eröffnete der Park am 17.07.1955. Innerhalb von 36 Monaten konnte Disneyland 10 Millionen Besucher anlocken. Dies war laut Gabler (2006 S.537) das erste mal nach Snow White, dass der Disney-Konzern dauerhaften finanziellen Erfolg hatte. Walt nutzte diese Mittel und erweiterte den Park stetig. Im Gegensatz zu seinen Filmen, die er irgendwann in das Kino entlassen musste, konnte er den Park beliebig optimieren. Der früher Schöpfer von animierten Traumwelten baute nun begehbare Traumwelten. Und der Kontrollwahn kannte nur noch eine Steigerung: Animatronics.

 

4 Disney | 4.1 Biographie | 4.1.7 Animatronics

Schon gegen Kriegsende experimentierte Walt heimlich mit elektronisch bewegten Puppen. Aber die Elektronik und die zur Steuerung verwendeten Lochkartenrollen waren zu sperrig (Schickel 1979 S.332). Einfach bewegte Figuren wurden auch schon in Disneyland verwendet, wie die Giraffen und Alligatoren in der Dschungel Bootstour. Aber Walt hatte höhere Ansprüche, er wollte seine Kreationen vom Faktor Mensch unabhängig machen: “You can’t have human beings working three or four shifts; we can’t afford to pay’em, or they’ll make mistakes, or somebody won’t show up. We’ve got to figure out a way to have automated shows” (Gabler 2006 S.579). Die Lösung für dieses Problem waren Magnetbänder zur synchronen Ansteuerung unzählig kleiner Pneumatik-Zylinder innerhalb der Figur. Diese Technik sollte Walts Team von “Imagineers” 1964 das erste mal im großen Stil einsetzen. Für die Weltaustellung in New York erschuf WED vier Attraktionen mit Animatronics. Für Ford eine Reise durch die Welt der Saurier und Urmenschen. Im General Electric Pavillon priesen Puppen die Segnungen der modernen Haushaltstechnik. Im Illinois­-Pavilion trug ein sehr lebensechter Lincoln eine Rede vor. Und Für Pepsi und UNICEF sangen hunderte Kinderpüppchen ein Lied in ihrer jeweiligen Langessprache. Walts Stolz lässt sich am besten in seiner TV-Sendung zu diesem Thema erkennen (Disneyland Staffel 10, Episode 27 “Disneyland Goes to the World’s Fair” – gesendet 17.05.1964). Animatronics waren Walts Höhepunkt in der Imitation und Idealisierung des Lebens. Und bis heute sind sie ein festes Standbein Disneylands. Auch wenn die Technik heute natürlich ausgereifter ist, hat die Künstlichkeit seine Faszination nicht eingebüßt.

Der Kettenraucher Walter Elias Disney verstarb am 15.12.1966 in einem Krankenhaus in der Nähe seinen Studios in Burbank an Lungenkrebs.

 

4 Disney | 4.2 Charakterisierung

Wie war Walt? Seine Biografen sind sich einig, dass schon seine engsten Kollegen Schwierigkeiten hatten, ihn zu charakterisieren. Aber über einige Fakten herrscht Konsens:

Walt lebte ohne größere Eskapaden. Er galt als treuer Ehemann und sein Niktotin- und später Alkoholkonsum fielen nicht unangenehm auf. Auch nach dem finanziellem Erfolg lebte er für Hollywood-Verhältnisse bescheiden.

Walt war ein Perfektionist, man kann schon von Kontrollzwang sprechen.

Walt war ein Visionär. Das zeigte sich schon in der Arbeit an den Trickfilmen. Er war kein brillanter Zeichner wie Iwerks, aber alle Kollegen beschreiben ihn als begnadeten Geschichtenerzähler. Bei den von ihm betreuten Filmen hatte er die Vision und das Team sollte seine Vorstellungen auf Zelluloid bringen. Und auch bei Disneyland bescheinigen ihm Zeitzeugen eine immense Vorstellungs­kraft im Planungsstadium. Aber er war auch Visionär in seinen Zukunftsprognosen: Er erkannte meist früher als seine Wettbewerber Möglichkeiten und bestimmte die Trends: Zeichentrick, Tonfilm, Farbe, Mehrkanalton, TV und Themenparks.

Ich persönlich aber glaube, Walts stärkste Eigenschaft war sein Vertrauen in seine Werke. Er spielte nie auf Sicherheit, versuchte immer ein besseres Produkt zu entwickeln. So sagte er z.B. angesprochen auf einen möglichen Nachfolger zum Mega-Erfolg Three litte Pigs: “I could not see how we could top pigs with pigs” (Schickel 1979 S.156). Sein Studio entwickelte eine sehr eingefahrene Optik und auch inhaltlich waren viele spätere Werke formelhaft. Aber so war einfach sein Geschmack, und der Erfolg gab ihm Recht. Walt erlebte dies anschaulich im Vergleich vom unprätentiösen und erfolgreichen Dumbo und dem zeitnahen Flop Fantasia. In letzteren versuchte er sich selbst (und damit dem Publikum) die ihm fremde Kunstform der klassischen Musik nahezubringen.

Er bewegte sich hier jedoch in einer ihm nicht vertrauten Welt und scheiterte. Seitdem verließ er sich mehr auf seinen eigenen Geschmack. Schon damals versuchten große Produzenten durch Marktforschung, Test­screenings und Focus-Groups die Vorlieben eines breiten Publikums zu erkennen. Walt dagegen produzierte, was er selber gerne sehen wollte und traf damit den Geschmack der Masse (Schickel 1979 S.93f). Er war einfach die Inkarnation des christlich geprägten Otto-Normalverbrauchers aus dem mittleren Westen, ein Vorteil gegenüber dem eher migrantisch geprägten Hollywood.

Und die Kritiken an seinem Stil sind somit auch oft eigentlich Kritik am Geschmack der Masse: Disney­land ist so einfach und bequem, weil wir manchmal gerne einfach und bequem etwas erleben wollen. Und Walts Filme sind kitschig-süße Realitätflucht, weil wir uns manchmal gerne in diese Welten denken wollen. Den oft sehr freien Umgang mit dem Quellmaterial sollte man vielleicht in der Tradition der klassischen mündlichen Märchenerzähler sehen;

Walt erzählte die Geschichte einfach so, wie er sie am schönsten fand. Und er fand meist Zuschauer, die seine Version zu schätzen wussten.

4 Disney | 4.3 Ära ohne Walt

Nach Walts Tod fühlte sich Roy verpflichtet, im Sinne Walts die Firma fortzuführen. Mit dem erfolgreichen Jungle Book kam 1967 der letzte Film in die Kinos, an dem Walt mitgearbeitet hat. Roy arbeitete bis zur Eröffnung 1971 an Walt Disney World in Florida und verstarb kurz darauf. Nach Roys Tod verstärkte das Studio jenen Trend, der schon zu Walts Zeiten angefangen hatte. Da Walt selbst das Interesse an Animation verloren hatte, drängten ihn seine Finanzplaner, diese Sparte zu schließen, weil sie unrentabel sei. Aus Traditionsbewusstsein oder Loyalität zu seinem Personal ließ Walt weiter Trickfilme produzieren, allerdings sanken die Budgets massiv (Gabler 2006 S. 620).

Ein Schritt dahin war ein von Ub Iwerks entwickeltes Verfahren, mit dem die Zeichnungen direkt auf Folien aufgebracht werden konnten. So entfiel der früher notwendige Schritt des Nachziehens (inking). Das Ergebnis war schneller, billiger und gab dem Animator mehr Einfluss. Nachteilig waren allerdings fahrigere und uneinheitlichere Linien, sehr gut sichtbar z.B. in Robin Hood von 1973. Diese Sparmaßnahme und andere wirkten sich schnell auf die Qualität der Filme aus, ohne Walts inhaltliche Führung und Unterstützung noch viel drastischer. Und so sollte es bis 1989 dauern, bis die Studios mit The little Mermaid wieder an den Erfolg von Jungle Book anschließen konnten.

4 Disney | 4.4 Eisner Ära

Michael Eisners Werdegang könnte sich nicht deutlicher von Walts Biographie unterscheiden: Er wuchs als Kind einer wohlhabenden, jüdischen Familie in Manhattan auf (Eisner 1999 S.35ff). Privatschule, Internat, erster Job im Tv-Geschäft durch Beziehungen. Eisner war immer Angestellter, nie Gründer. Und wie sehr er von Walts Geisteshaltung abweicht, zeigt folgendes Zitat: “Keine Gratwanderung ist schwieriger als zwischen Qualität und Kommerz. (Michael Eisner “Disney ist jeden Tag ein Abenteuer” 1999 S.139)” Roy E. Disney, Roy Disneys Sohn, machte Eisner 1984 zum CEO von Disney. Seine Wirkung auf die Company ist schwer zu bewerten, da sich die ersten 10 Jahre große Erfolge einstellten, z.b. 1994 Lion King. Auch die erfolgreiche Vermarktung der Disney-Klassiker auf VHS bescherte dem Konzern massive Einnahmen.

Aber Eisner ist auch für markenschädigende Filme wie Jungle Book 2 verantwortlich zu machen. Nach 20 Jahren Eisner brachen die Einspielergebnisse der Animationfilme ein. Pixars Filme übertrafen die Disney-Werke finanziell und qualitativ um Längen. Einer der führenden Köpfe Pixars, John Lasseter, war ironischerweise ein Student der CalArts, der von Walt gegründeten Animationsschule. Seine Lehrer dort waren unter anderen die “Nine Old Man”, die legendären Zeichner der goldenen Disney Jahre (The Pixar Story 2007). Lasseter arbeitete auch bei Disney, wurde dann allerdings entlassen, da Disney seine Konzepte für den Einsatz von 3D-­Animation nicht zu verwenden wusste. Pixar dagegen war begeistert, einen echten Animator zu bekommen und ein paar Jahre später war Pixar Disney schärfster Konkurrent. Aus praktischen Gründen ließ Pixar Verleih und Merchandising durch Disney abwickeln, d.h. Disney verdiente trotzdem. Aller­dings waren die Einnahmen durch Merchandising so hoch, dass Pixar sich benachteiligt fühlte und andere Verträge aushandeln wollte. Dabei zerstritt sich Eisner mit Pixar. Außerdem glaubte man bei Disney, dass der Erfolg der Pixar Filme der 3D-Animation geschuldet war. Roy E. Disney dazu: “The derived Idea was, that nobody wants to see 2D anymore. The fact was, they would love to see a good 2D movie. [...] It was horrible, to come to the conclusion, that only 3d was gonna be our future. There was enourmous loss of morale [...]. They were selling of animation desks, [...] leading talented artists out the door by the nose. (The Pixar Story 2007)” Dies führte dazu, dass Roy E. 2004 die “Save Disney” Kampagne startete und Michael Eisner mit Hilfe der Aktionäre durch Robert Eigner ersetze. Eigner einigte sich mit Pixar, kaufte diese auf und machte John Lasseter zum neuen Kreativ-Chef der Disney Studios (The Pixar Story 2007). Eigners Haltung zu Walt lässt sich vielleicht am besten daran ablesen, dass er 2006 die Rechte an Oswald the Rabbit zurückkaufte.

(http://en.wikipedia.org/wiki/Oswald_the_Lucky_Rabbit)

5 Bestandsaufnahme Disney

Inhaltlich bin ich mit der These gestartet, dass die Disney-Filme schlechter geworden sind. In der Literatur wurde dies klar bestätigt, allerdings nur für die Kriegs- und Nachkriegsjahre und die Zeit nach Walts Ableben. Die jüngere Disney-Geschichte ist etwas widersprüchlicher. Überspitzt kann man sagen, dass mit Pinnochio von 1940 der ästhetische Höhepunkt der Disney-Company erreicht wurde. Erst fast 50 Jahre später konnte The Little Mermaid als letzter analoger Zeichtrickfilm Disneys gleichziehen und mit den darauf folgenden digitalen Produktionsmethoden wurden die optischen Qualitäten dann rasant gesteigert. Aber nach fünf Jahren Erfolg sollte Disney plötzlich von Pixar in jeder Beziehung überholt werden (Siehe Diagramm). Die Kurzschlussreaktion war die Schließung des traditionellen Studios und die Produktion von Direct-to-DVD Titeln wie Bambi 2. Ob in Zukunft der neue Kreativchef des Studios John Lasseter (Pixar) Disney wieder zur alten Größe zurückführt ist unklar.

In den letzten 15 Jahren ist in den Disney-Studios aber definitiv nichts entstanden, was auch nur annähernd so eine kollektive Begeisterung ausgelöst hat, wie die echten Disney Klassiker. Das Studio zehrte einfach von seiner Vergangenheit, ohne die richtigen Schlüsse aus dieser zu ziehen. Disney verdiente weiterhin Geld, aller­dings ruinierte dieser Ausverkauf den Ruf und senkte die Qualität der Produkte. Die alte Formel “What would Walt do” wurde entweder vergessen oder völlig falsch interpretiert.

6 Marionette im Film | 6.1 Augsburger Puppenkiste

Die Augsburger Puppen­kiste eröffnete 1948 ihr erstes Theater und wurde ab 1953 durch Fernsehspiele deutschlandweit bekannt. Zu den bekanntesten Werken zählen Urmel aus dem Eis und Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer.

Urmel aus dem Eis wurde 1969 nach einem Buch von Max Kruse produziert. Das eingefrorene Urzeitwesen Urmel taut auf einer Insel mit sprechenden Tieren auf. Der größte Teil der Handlung und des Humors wird durch Dialoge transportiert. Die menschlichen Puppen haben alle starre Kiefer, nur die Tiere bewegen die Lippen. Trotz des Alters der Serie und der sehr jungen Zielgruppe, kann man sich dem Charme des Werkes kaum entziehen.

Anders verhält es sich bei Die Story von Monty Spinneratz. Dieser Kinofilm von 1997 wurde mit großem Aufwand erstellt und international vertrieben, ist dafür aber enttäuschend. Die Sets sind teilweise sehr hübsch und die Marionetten und ihr Spiel funktionieren auch. Aber der Film scheitert an seiner Länge. Die 91 Minuten werden durch langweile Szenen mit menschlichen Schauspielern unterbrochen. Im letzten Drittel quälen uns die Ratten mit langen Monologen voller billiger Ökobotschaften und Kapitalismuskritik. Und vor allem ist die Geschichte einfach zu konfus. Viele Szenen sind so wahllos eingebracht, dass ich oft zurückspulen musste, weil ich dachte etwas verpasst zu haben. Das Format der halbstündigen Fernsehfolge lag der Puppenkiste deutlich besser. Der Film wurde mit dem Bayerischen Filmpreis als bester Kinderfilm ausgezeichnet.

Quellen:

http://de.wikipedia.org/wiki/Augsburger_Puppenkiste

DVD Urmel aus dem Eis

DVD Die Story von Monty Spinneratz

6 Marionette im Film | 6.2 Thunderbirds

Thunderbirds ist eine erstmals 1965 gesendete, britische Sciencefiction-Marionetten-Show von Gerry Anderson. In den einzelnen Episoden versucht das Team von “International Rescue” mit schwerem Hightech-Gerät diverse Katastrophen zu verhindern, z.b. den Absturz eines atomaren Passagierflugzeugs.

Das von den Erfindern “Supermarionation” genannte Verfahren wurde genutzt, um per Magnet im Kopf die Lippen der Puppen sprachsynchron zu bewegen. Allerdings wurden schwierige Szenen mit laufenden Marionetten wenn möglich vermieden. Deshalb findet der Großteil der Handlung sitzend in Fahrzeugen statt. Die Miniatur-Aufnahmen sind sehr aufwändig produziert, mit viel Staub, Rauch, Feuer und Wasser. Um den Look zu erzielen, wurden diese Shots mit 70-100 fps aufgenommen und verlangsamt.

Thunderbirds sah sich damals als halbwegs ernsthafte Sciencefiction Serie, die auch für Erwachsene interessant sein sollte. Überraschend ist, wie Gerry Anderson in einem Interview auf die Frage reagiert, ob er in Zukunft so eine Serie auch mit echten Schauspielern machen wolle. Darauf sagt er, dass es mit Schauspielern sehr schwierig sei, die aufwändigen Katastrophen-Situationen der Serie herbeizuführen, aber er hoffe, dass dies in Zukunft für ihn möglich sein würde. Hätte er also andere Mittel zur Verfügung gehabt, hätte es diese wahrscheinlich international berühmteste Puppenserie und ihren speziellen Charme nie gegeben.

Quelle: Making Of von DVD “Thunderbirds - The Complete Series” - Limited Edition DVD-Boxset

6 Marionette im Film | 6.3 Team America World Police

Geschrieben von Trey Parker und Matt Stone markiert Team America World Police (2004) einen Meilenstein des Marionettenfilms im Kino. Die beiden Southpark-Erfinder hatten zufällig eine Wiederholung von Thunderbirds gesehen. Sie erkannten, dass sich die hölzerne Spielweise der Marionetten ideal für eine Parodie auf amerikanische Action-Spektakel eignet, daher auch die vielen Anspielungen auf Michael Bay im Film.

Hinter der Kamera stand Bill Pope, verantwortlich für die Matrix-Triologie, Spiderman 2-3 und Army of Darkness. Pope sehnte sich nach den vielen Greenscreen-Drehs nach etwas Analogem. So ist Team America optisch der bisher opulenteste Marionettenfilm. Inhaltlich arbeitet sich der Film an sehr vielen Themen ab und ist daher nicht ganz so zielsicher wie andere monothematische Werke von Parker & Stone.

Mit der Künstlichkeit der Marionette spielt der Film in seiner berüchtigten Sexszene. Hier kopulieren zwei optisch geschlechtslose Marionetten sehr lange und eher pornographisch gefilmt. Das stellte das Gremium zur Alterseinstufung vor große Probleme, da ihre Bewertungsmaßstäbe an den abstrakten Körpern der Puppen versagten. Erst nach neun Umschnitten bekam der Film seine Jugendfreigabe.

Quelle: http://treyparker.info/archives_e_08oct04.htm

Quelle Filmfakten: http://www.imdb.com/title/tt0372588/

In einem Interview fasst Parker die Schwierigkeit der Arbeit mit Marionetten zusammen:

“I mean, you could threaten to kill my family and I would not make another puppet movie. If my mother would die if I would not make another puppet movie, she’d be dead. I’m totally serious.”
Trey Parker, infocus magazine 4.10.2004

6 Marionette im Film | 6.4 Being John Malkovich

In dem skurrilen Werk von Spike Jonze aus dem Jahr 1999 spielt John Cusack einen wirtschaftlich erfolglosen Puppenspieler. In der Einleitung sieht man ihn, wie er mit einer nach ihm selbst gestalteten Marionette einen Verzweifelungsanfall inszeniert.

Die spektakulären Bewegungen der Puppe in dieser Szene sind allerdings meiner Meinung nach nicht ohne filmische Montage durchführbar. Aber die sehr zurückhaltende Beleuchtung und persönliche Kamera sind visuell sehr eindrucksvoll. Inhaltlich reizt der Umgang mit der Metaebene. In der Einleitungsszene blick z.B. die Puppe ihren Spieler erwartungsvoll an. Der Rest des Films spielt mit dem Thema, dass Menschen in die Körper anderen Menschen schlüpfen können. Der Schauspieler ist immer durch seinen eigenen Körper begrenzt, der Puppenspieler nicht; so begründet der Spieler im Film die Faszination an seinem Handwerk.

6 Marionette im Film | 6.5 Strings

Die dänisch-britisch-schwedisch-norwegische Koproduktion Strings aus dem Jahr 2004 von Regisseur Anders Rønnow Klarlund erzählt klassischen, mythologischen Stoff mithilfe von Fadenmarionetten. Der Vater des Protagonisten Prinz Hal Tara wird tot aufgefunden, scheinbar von königsfeindlichen Rebellen ermordet. Sein Sohn sinnt auf Rache und begibt sich mit einem Begleiter auf die Reise, um den Rebellenführer zu stellen. Die Grundstory ist bewusst archetypisch, man sieht den Figuren ihren Rollen sofort an; die gegebenen Namen oder Titel wären eigentlich unnötig. Der Film macht zu jedem Zeitpunkt klar, dass er ein Puppenmärchen sein will. Im Intro wird der Aufbau der Bühne gezeigt und wie die PuppenspielerInnen sich auf ihrer Brücke drängeln. Alle Fäden sind deutlich sicht­bar und prominent in die Geschichte eingebaut. Die BewohnerInnen der Welt werden nämlich von unsichtbaren Göttern im Himmel geführt. Und wenn einer Puppe der “Kopffaden” abgetrennt wird, stirbt diese. Sogar die Architektur spiegelt dieses Weltbild wieder: Die Stadttore bestehen aus einem Balken, der einfach die Fäden abblockt und damit Marionetten am Betreten der Stadt hindert.

Insgesamt ist der Film optisch sehr ansprechend. Die Bildkomposition ist abwechslungsreich. Die Sets sind so groß und vor allem tief, dass selten der beengte Eindruck einer klassischen Bühne entsteht. Der mythologische Charakter der Geschichte wird dank der Darstellung durch Puppen viel plausibler, die Starre der Gesichter und die Materialität löst beim Betrachten eine Mischung aus Vertraut­heit und Abneigung aus. Irritierend sind auch die teilweise recht gewalttätigen Szenen, in großen schönen Bildern erzählt. Insgesamt ist Strings ein sehr atmosphärischer Film, der sicher den bewusstesten Umgang mit Marionetten und ihren Besonderheiten darstellt.

7 Disney als Thema | 7.1 Shrek

Shrek erschien 2001, produziert u.a. von ex Disney-Vize-Chef Jeffrey Katzenberg. Um so pikanter, dass der Film eine wenig subtile Parodie der Disney-Welt ist. Das Märchenbuch der Einführung wird von einem Oger als Klopapier genutzt. Pinocchio, Schnee­wittchen, Aschenputtel, Peter Pan, selbst die drei kleinen Schweinchen; nahezu alle Disney-Erfolgsfiguren werden zu Nebendarstellern degradiert. Und wann immer ein Charakter ein Lied anstimmen will, wird er sofort von Shrek abgewürgt. Sogar Disneyland und sein Merchandising bekommen ihr Fett weg.

Animationstechnisch 2001 recht beeindruckend, ist der Film merklich gealtert. Bei seinem Erscheinen beeindruckte die gute, aber nicht zu realistische Darstellung der menschlichen Akteure. Heute fallen Fehler im Hintergrund und eine seltsam falsche Tiefenschärfe auf.

Shrek sprach durch seine Respektlosigkeit, Verzicht auf Gesang und stattdessen genutzter Popmusik primär ein erwachsenes Publikum an. Er spielte in den USA 267.000.000$ ein, mehr als beide Disney-Filme des Jahres zusammen. Dies war Katzenbergs erster großer Trickfilm-Erfolg außerhalb von Disney. Der Film zog drei Fortsetzungen minderer Qualität nach sich. Während der erste Teil eine frische und clevere Kritik an einigen Eigenarten des Disney-Stiles und der Vermarktung darstellte, waren die Nachfolger zahnlose Nutznießer der Bekanntheit dieser neuen Marke im Animationsgeschäft.

7 Disney als Thema | 7.2 Epic Mickey

Derzeit hat sich wohl kaum ein Projekt so intensiv mit der Ästhetik der Disney Cartoons auseinandergesetzt wie Epic Mickey (2010). In dem Wii-Spiel von Gamedesign-Legende Warren Spector (Deus Ex) spielt man sich durch unzählige Level, allesamt inspiriert von klassischen Zeichentrickszenarien. Die Spielwelt ist eine Art marodes Horror-Disneyland, zerstört von einem Tintenmonster. Als Mickey Mouse hat der Spieler die Aufgabe, mit einem magischen Pinsel wieder Farbe in die Cartoonwelt zu bringen. Als dunkler Widersacher tritt Oswald the Lucky Rabbit auf, Disneys frühe aber fast vergessene Figur.

Großartig ist die Liebe zum Detail: Fast alle Elemente des Spieles stammen aus der Disney-Historie. Die Designer hatten freien Zugang zu den Archiven und haben sich auch jenseits der geläufigen Charakteren bedient. Die Grundidee ist, dass Mickey seine von ihm vergessenen Freunde wiederentdeckt, und so werden diese Figuren auch dem Spieler wieder vorgestellt. Das Problem des Spiels ist aber, dass es für die nicht existente Zielgruppe der filmgeschichtlich-interessierten Kinder gemacht wurde. Jüngeres Publikum wird einen großen Teil des Charmes des Spieles nicht verstehen, älteres Publikum ist genervt vom allzu un­eigenständigem Gameplay. Selbst kleinste Rätsel werden im Vorfeld mit dem Zaunpfahl erklärt, nie kann man mehr als ein paar Sekunden selber steuern. Dazu kommt eine generell ungenaue Steuerung und ein ewiger Kampf mit der Kamera. Epic Mickey brilliert in Art Direction, Animation und Sound. Und es ist erfreulich, dass die Entwickler es geschafft haben, dem sonst sehr konservativen Disney-Konzern seine Kronjuwelen zu entwenden und zusammen mit dem Giftschrank zu einem düsteren Steampunk-Jump’n’Run zu verabeiten. Leider ist das Spiel so zäh, dass sicher nicht viele Spieler die ganze Welt der Disney-Cartoons erspielen werden.

7 Disney als Thema | 7.3 Enchanted

Dieser Realfilm von Disney aus dem Jahr 2007 beantwortet folgende Frage: Was wäre, wenn eine Zeichentrick-Prinzessin in der realen Welt leben müsste?

Amy Adams spricht und spielt Giselle, eine archetypische gezeichnete Disney-Prinzessin. Die gesamte Einleitung des Films, inklusive des Bildformats, ist das Destillat von 50 Jahren Disney-Stil. Die Prinzessin wartet auf ihren Prinz Charming, wird aber von der bösen Hexe mit einem Zauber belegt. Und so landet Giselle im moderen New York.

Hier werden real gefilmt alle üblichen Disney-Klischees abgearbeitet: Singen, Hausarbeit mit Hilfe von Tieren und der Glaube an das Happy End. Um so mutiger, dass Disney diesen Film überhaupt produziert hat. Ob Walt über diesen Film lachen könnte, bleibt fraglich. Denn während er an Shreks rüpelhafter Parodie vielleicht Gefallen gefunden hätte, greift Enchanted eher Walts Charakter an, seinen Wunsch nach einer heilen Welt.

8 Filmisches Konzept

Ich werde einen Kurzfilm über Disney machen, der nicht nach Disney aussieht. Dadurch können Disney-FilmAusschnitte als Gestaltungselement benutzt werden, die in einem Zeichentrickfilm untergehen würden. Mit Puppen nutze ich eine der ältesten Animationstechniken, die aber im Film besondere Möglichkeiten bietet: Sie kann dreckig, staubig und morbide wirken, was dem Thema dient. Immerhin soll eine untergegangene Kultur beklagt werden, und die im Vergleich zu früher fast tote Kunst der Marionetten tritt als Medium auf. Gleichzeitig zeigt der Film so schon während des Klagelieds, dass Totgesagte bekanntlich länger leben.

Die Story des Films in einem Satz: Eine langlebige Maus wohnt in einem Kino und wird Zeuge der filmischen Entwicklung Disneys.

Der Protagonist ist natürlich eine Maus, als Symbol des Konzerns. Die spätere Schließung des Kinos steht für den Untergang der Kultur des Zeichentrickfilms. Dass Disney mehr mit Merchandising, TV und DVDs verdient, wird durch Symbole verdeutlicht: Die Maus findet im Kino einen iPod mit einen Musikvideo der Disney-TV-Serie Hanna Montana. Hier wird außerdem das geänderte Konsumverhalten deutlich, der kleine Bildschirm gegen das große Kinoerlebnis. Letztendlich soll die Maus wenig subtil an einer DVD von Bambi 2 ersticken.

Einige Eigenarten der Disneyfilme sollen im Film aufgegriffen werden. Inhaltlich z.B. die Abwesenheit der Mutter, hier auch der Wendepunkt der Geschichte und Anspielung auf den Tod Walts. Formal soll der Film mit einer langen Kamerafahrt eingeleitet werden. Diese langen Fahrten waren ein Markenzeichen der Zeichentrickfilme Disneys und wurden später aus wirtschaftlichen Gründen oft eingeschränkt. Auch in diesem Film soll sie behutsam in das Setting und die Stimmung einführen.

Die Kamera soll in den meisten Szenen eine sanfte Fahrt vollführen. In einigen Szenen bleibt die Kamera statisch, hier wird die Schärfenebene die Maus verfolgen. Insgesamt soll die Schärfenebene meist klein sein, um den flachen Kulissen mehr Tiefe zu geben und die Maus besser vom Hintergrund abzuheben. Im Mittelteil des Films werden 3 Szenen keine komplette Filmhandlung erzählen, sondern eher wie ein Tableau inszeniert und hintereinander in einer gleichförmigen Bewegung abgefahren.

Das Licht wird auf einer Traverse über der Bühne schweben. In den Innenräumen soll das Licht weicher sein, als in den Außenszenen, um den Stimmungswechsel zu betonen. Außerdem soll in zwei Szenen das Licht mit Dampf sichtbar gemacht werden und als grafisches Element dienen.

Die Farbgebung wird eher mit Grautönen arbeiten. Insgesamt soll ein etwas altmodischer Film-Look erziehlt werden. Evtl. kann sich der Look leicht dem Jahrzehnt anpassen, in dem die Szene spielt. Allerdings darf dies nicht in einen billigen Effekt abdriften.

Die gleiche Herausforderung gilt der Musik. Sie soll subtil den Wandel der Zeit klarmachen, ohne dabei zu plakativ zu sein. Ein gewisses Hauptthema soll sich wie ein roter Faden durch die Musik ziehen. Die klassische Unterlegung der Disney-Filme kann hier vereinzelt zitiert werden. Die Szenen werden ohne direkte Soundeffekte gestaltet, primär soll durch Musik und Bilder eine Stimmung erzeugt werden.

Die offensichtlichen Hinweise auf den Zeitfluß in den Kulissen und die eher unbewussten Hinweise über Farbe und Akustik müssen sich hier ergänzen. So soll dann die eigentlich Handlung im Mittelpunkt stehen, und nicht die Frage, in welcher Zeit wir uns gerade befinden.

Im ersten Teil soll das Publikum die niedliche Maus in’s Herz schließen. Dann kippt die Stimmung im Mittelteil. Das Ende soll Bestürzung und Irritation hervorrufen. So würde das Publikum in fünf Minuten alle Gefühle durchmachen, die ich seit meiner Kindheit zu den Disney-Filmen entwickelt habe.

 

9 Quellen & Videoindex

Platon (347 v. Chr ): Nomoi - Die Gesetze, Übersetzung von Eduard Eyth, aus: Platon - Sämtliche Werke III, 1982 Heidelberg

Dorst, Tankred (1957): Geheimnis der Marionette, 1957 München

Kleist, Heinrich von (1810): Ueber das Marionettentheater, 12.-15. Dezember 1810 Berliner Abendblätter. (Quelle: http://de.wikisource.org/wiki/%C3%9Cber_das_Marionettentheater )

Kratochwil, Ernst-Frieder; Technau , Silke; Reiniger, Rike (Stand 20.07.2011): Zur Geschichte des Figurentheaters in Deutschland, Auszug aus der Enzyklopädie des deutschen Puppen- und Figurentheaters, http://www.fidena.de/reflexion-diskurs/online-lexikon/artikeluebersicht/mn_44894?mode=list&lexObjectID=cc0a501e%5Fe081%5F515d%5F74772f784b478cc9 Hrsg. Deutsches Forum für Figurentheater und Puppenspielkunst, Bochum

Ausstellungskatalog Kunstsammlung NRW, Düsseldorf, Kunstsammlung Wien, Sprengel Museum Hannover, Bühnen Archiv Oskar Schlemmer, “Oskar Schlemmer - Tanz Theater Bühne” 1994 Düsseldorf

Köhnen, Dieter (1996): Marionetten - selbst bauen und führen, 1996 Niederhausen

Bendazzi, Giannalberto (1994): Cartoons - One hundret Years of Cinema Animation, 1994 London

Gabler, Neal (2006): Walt Disney – the triumph of the American imagination, 2006 New York

Schickel, Richard (1968): The Disney Version – the life, times, art and commerce of Walt Disney, 3. Auflage, 1997 Chicago

Reitberger, Reinhold (1979): Walt Disney, 1979 Reinbek bei Hamburg

Thomas, Frank; Johnston, Ollie (1981): The Illusion Of Life - Disney Animation , 1981 New York

Eisner, Michael D. (1998): Disney ist jeden Tag ein Abenteuer – Stationen einer Karriere (engl. Originaltitel: Work in Progress), dt. Ausgabe 1999 München

DVD: The Pixar Story (2007), Leslie Iwerks Productions 2007

DVD: Disneyland: Secrets, Stories, & Magic (2007), Walt Disney Home Entertainment 2007 (Mit DVD-Extra: Disneyland Staffel 10, Episode 27 “Disneyland Goes to the World’s Fair” – gesendet 17.05.1964)

Daten Diagramm Disneyfilme:

http://boxofficemojo.com/

http://www.imdb.com/

Einspielergebnisse wenn nicht anders genannt:

http://boxofficemojo.com/

New York Times 16.12.1966 (http://www.nytimes.com/learning/general/onthisday/bday/1205.html) Stand 27.07.2011

Wikipedia: Technicolor (http://de.wikipedia.org/wiki/Technicolor_(Verfahren) Stand 27.07.2011

Duckipedia: Liste aller Disney-Cartoons http://www.duckipedia.de/index.php5?title=Liste_aller_Disney_Cartoons) Stand 27.07.2011

http://en.wikipedia.org/wiki/Oswald_the_Lucky_Rabbit#Return_to_Disney_ownership:_the_Al_Michaels_trade Stand 17.08.2011

DVD: Urmel aus dem Eis (1969) , S.A.D. Home Entertainment GmbH 2008

DVD: Die Story von Monty Spinneratz (1997), Warner Bros. 1997

DVD: Thunderbirds - The Complete Series (1965) - Limited Edition DVD-Boxset - Making of, Carlton Visual Entertainment Ltd 2004

DVD: Team America World Police (2004), Paramount Home Entertainment 2004

http://treyparker.info/archives_e_08oct04.htm

http://www.imdb.com/title/tt0372588/

infocus magazine 4.10.2004 http://www.natoonline.org/infocus/04october/puppetryuncut.htm

DVD: Being John Malkovich )1999), Universal 1999

DVD: Strings (2004), IND 2004

DVD: Shrek (2001), Paramount 2001

Spiel: Epic Mickey (2010), Disney Interactive 2010

Making Of Epic Mickey (2010), veröffentlicht von www.g4tv.com

DVD: Enchanted (2007), Touchstone 2008

DVD: Walt Disney Treasures - Behind the Scenes at the Walt Disney Studio (2002); Teil The Reluctant Dragon (1941), Walt Disney Home Video 2002

Kreative Vorarbeit

Inhalt

1 Analyse Einstiegsszene
2 Skizzen
3 Storyboard
4 Titel
5 Kameratests
6 Papermatic
7 Visuelle Inspirationen
7.1 Real
7.2 Medial
8 Entwicklung Kulisse
9 Entwicklung Charakter
10 Quellen & Videoindex

 

1 Analyse Einstiegsszene

Im Buch Illusion of Life wurden oft die Budget-Beschränkungen für die Disney-Zeichentrickfilme nach den 50ern erwähnt. Darum hier als Beispiel zur Veranschaulichung ein Zusammenschnitt aller Filmanfänge mit Multiplane-­Kamerafahrten. Oder deren Ersatz bzw. später digitaler Nachfolger.

Der erste Einsatz war nicht in einem Feature Film, sondern 1937 in dem Kurzfilm The Old Mill aus der Merry Melodies Reihe. Beim Intro von Rescuers II kam dann 1990 zum ersten mal “CAPS” zum Einsatz, ein digitales Animationssystem. Als letzten Film zeigt Disney mit Enchanted mit leichtem Augenzwinkern quasi den Prototypen des Disney-Film-Einstiegs.

Diese Kamerafahrten waren in den analogen Zeiten extrem aufwändig und teuer. Da die Disney-Studios sich mit dieser technischen Errungenschaft weit von den Konkurrenz absetzen konnten, setzte Walt diese Fahrten gerne ein. Eine Meister­leistung ist die über 2 Minuten lange Fahrt am Ende von Fantasia.

Dramaturgischer Nutzen der Fahrten war meist einen Schauplatz behutsam vorzustellen. So wurden die Zuschauer langsam in die Filmwelt hineingezogen. Eine schöne Dokumentation von der Kamera kann man in der Spielfilm-Studiotour-Mischung The Reluctant Dragon von 1941 sehen.

Ich will dieses Stilmittel auch für die Einführung von meinem Kurzfilm nutzen. Da allerdings der Blickwinkel der realen Kamera keine langen Fahrten in Blickricht­ung zulässt, habe ich mich für eine Parallelfahrt auf einem Dolly entschieden. Um den Tiefeneindruck zu erhöhen sollen einige Gegenstände schnell vor der Kamera vorbeiziehen. Die lange Fahrt soll genügend Zeit geben, die kleinen Details zu bemerken. Diese erzählen, in welchem Jahr­zehnt wir uns befinden.

3 Storyboard

Szene 01: Einführungsfahrt
Die Kamera fährt langsam die Bühne ab. Erst sieht man nur dunkle Schemen, dann kommen wir in hellere Bereiche. Der Boden ist aus groben Dielen, die Wand sieht nach einer verspachtelten Kellerwand aus. Wir sehen Indizien für einen Raum in einem Kino: alte Poster, Filmrollen, Filmdosen. An der altmodischen Elektro­installation kann man die 1940er erahnen. Am Ende ihrer Fahrt sieht man die Rückseite einer Leinwand, auf der ein alter schwarz­weißer Disney-Cartoon läuft. Jetzt sieht man Mama Maus in ihrem Nest in einer Filmdose mit ihren säugenden Jungen.

Szene 02: Nestflucht
Nähere Einstellung: Eine junge Maus löst sich von der Mutter und verlässt neugierig das Nest. Erst tappt sie etwas unbeholfen Richtung Kamera. Dann dreht sie sich zur Leinwand um.

Szene 03: Anbetung
Die Maus starrt gebannt auf die bewegten Bilder der Leinwand. Sie wirft einen langen Schatten, durch das helle Licht wirkt die Szene Sakral. Dabei fährt die Kamera langsam zurück und blendet auf Schwarz.

Szene 04: Projektor
Bild blendet auf. Wir sehen die Rückwand des Kinos. Durch einen Durchlass strahlt der Projektor. Um den Durchlass herum gibt es einen Lichtkegel. Aus dem Dunkel kriecht die Maus auf einem Absatz der Kamera entgegen. Die Schärfe zieht mit. Im Lichtstrahl angekommen schaut die Maus interessiert in den Projektorraum. Hier Zwischenschnitt zu Szene 05. Danach huscht die Maus aus dem Licht Richtung Kamera. Blende auf Schwarz.

Szene 05: Störung
Auf der Leinwand läuft Snow White. Plötzlich schiebt sich ein Schatten ins Bild. Die bekannte Mickey-Mouse-Silhouette ist zu sehen. Dann verschwindet der Kopf wieder. Evtl. ist im Publikum Unruhe sichtbar wie gehobene Arme, geworfene Becher oder so.

Szene 06: Fütterung
Kamera fährt aus dem Dunkel kontinuierlich von links nach rechts. Im Lichtkegel sieht man Kinosessel. Auf einem steht eine Tüte Popcorn, die Maus bedient sich. Neben der Tüte sitzt eine Statistin im Halbdunkel. Kleidung möglichst 70er Jahre. Fahrt ins Dunkel.

Szene 07: Vollwaise
Kamera fährt aus dem Dunkel kontinuierlich von links nach rechts. Im Lichtkegel sieht man das Nest der Mutter. Unsere Maus stubst vergeblich den leblosen Körper der Mutter an. Dann senkt sie den Kopf. Fahrt ins Dunkel.

Szene 08: iPod
Kamera fährt aus dem Dunkel kontinuierlich von links nach rechts. Im Lichtkegel sieht man eine Handtasche. Ein iPod ist herausgefallen. Die Maus tappst neugierung heran und berührt aus Versehen die Tasten. Ein Musik-Video der Disney TV-Serie Hanna Montana läuft. Die Maus erschrickt und flieht. Fahrt ins Dunkel.

Szene 09: Schließung
Aufblenden aus Schwarz. Die Maus sitzt auf der Rücklehne eines geschundenen Kinosessels. Im Hintergrund sieht man strahlendes Licht aus einer Doppelflügeltür. Von oben sieht man Lichtstrahlen von unsichtbaren Lampen. Diese gehen ohne Dimmung eine nach der anderen aus. Dann schließen sich die Türen. Das Licht dahinter geht auch aus. Die Maus schaut Richtung Projektor, aber nichts geschieht. Die Maus krabbelt nach unten auf den Sitz. Dort sucht sie in einer modernen Popcorn-Tüte nach Nahrung, findet aber nichts. Sie blickt sich nochmal um und springt dann aus dem Bild Richtung Boden.

Szene 10: Straße
Man sieht das geschlossene, verrammelte Kino. Der Zustand ist desolat. Auf der Anzeigetafel steht “closed”. Die Kamera rotiert in die Seitengasse, wo man Mülleimer und ein Loch in der Wand sieht, hier kriecht langsam die kleine Maus heraus. Schön wäre hier noch Regen.

Szene 11: Gasse
Die Gasse ist dreckig und nass. Die Maus schaut sich um, schnuppert. Dann bewegt sie sich auf einen Müll­haufen zu. Sie gräbt etwas im Müll. Hier evtl. Schnitt zu näherer Einstellung. Plötzlich zuckt die Maus zurück: Sie hat sich mit dem Kopf in einer Bambi2-DVD verfangen. Sie versucht krampfhaft die DVD loszuwerden, aber scheitert. Unter ein paar letzten Zuckungen verendet sie.

Szene 12: Todeskampf
Evtl. Nahaufnahme: Sie versucht krampfhaft die DVD loszuwerden, aber scheitert. Unter ein paar letzten Zuckungen verendet sie.

Szene 13: Ende
Die Maus liegt einsam und reglos in der Gasse. Die Kamera fährt langsam nach oben. Harter Schnitt zu den Credits.

4 Titel

Mein Arbeitstitel für den Film war immer Mäusekino.

Dies bezeichnet eigentlich im Computerjargon einen kleinen Bildschirm. Auch der erste digitale Tacho eines Opels und eine LED-Anzeige eines Wartburgs wurden schon so genannt. Mein erster Kontakt mit dem Begriff war ein Artikel über die Wiedergabe von Videos auf Mp3-Playern.

Und da so ein Gerät in dieser Funktion im Film auftaucht, werde ich bei dem Titel bleiben. Mir gefällt außerdem die Kompaktheit, in der Protagonist und Lokalität des Films eingebracht werden. Den Disney-Aspekt will ich im Titel nicht mehr betonen, damit dem Betrachter diese Entdeckung nicht vorenthalten wird. Wobei ja der halbe Name von Mickey Maus immerhin im Titel genannt wird.

Dies wäre auch bei dem Titel für eine etwaige internationale Version der Fall: Cinemouse.

5 Kameratests

Um mich auf eine Kamera festzulegen habe ich eine Testbox gebaut und bei schwacher Beleuchtung zwei Kameras gegeneinander antreten lassen. Einmal das Flaggschiff der FH aus der Gattung der klassischen Videokamera (Panasonic HVX-201). Und dagegen die günstigste brauchbare Spiegelreflex mit Videofunktion (Canon 600d). Zusammengefasst: Die HVX lässt sich besser bedienen, die Canon ist handlicher. Canon rauscht auch nicht stärker, hat aber den “filmigeren” Look. Also werde ich mit einer 600d drehen.

Im Making Of von Thunderbirds wird gezeigt, dass dort alle Miniaturaufnahmen von Wasser, Feuer etc. mit höherer Framerate aufgenommen wurden. Durch die verlangsamte Wiedergabe wirkten die Effekte realistischer. Also habe ich eine kleine Testszene mit Rauch und Licht vorbereitet, da ich ja in einigen Szenen Staub oder Dampf wabern lassen will. Den Testaufbau habe ich dann mit 720p25 und 720p50 aufgenommen. Beide Varianten werden aber mit 25 Bildern pro Sekunde wiedergeben. Ergebnis: Dieses Verfahren ist von der Bildwirkung eigentlich nur für die Miniatur-Aufnahme interessant. Ob dann aber der Effekt die technisch bedingte Verringerung der Auflösung rechtfertigt, ist fraglich. Da ich außerdem evtl. noch etwas Fleisch für Motion-Stabilizing brauche, nehme ich lieber alle Szenen durchgehend mit 1080p25 auf. 24 Bilder pro Sekunde wären zwar eigentlich passender zum Thema Kino, sind aber nicht so universell einsetzbar wie 25fps.

 

6 Papermatic

Eine Animatic ist ein abgefilmtes bzw. leicht animiertes Storyboard. So kann bereits im Vorfeld die Geschichte getestet werden, um unnötige oder nicht funktionierende Szenen zu vermeiden. Folglich werden Animatics primär bei kostspieligen Sequenzen von Filmen genutzt. Trickfilm gehört immer dazu, daher setzte Disney dieses Mittel schon in den 40ern ein, dokumentiert in The Reluctant Dragon.

Für meinen Film war ein Animatic allerdings nicht genug. Wenn man die Hintergründe frei zeichnet, kann man sich zu viele Freiheiten bezüglich der Kulissen­größe und des Kamerablickwinkels erlauben.

Die erste Frage für den Testaufbau war: Welche Größe kann ich zum Studio transportieren? Da eine normale OSB-Platte so gerade transportabel war, musste ich testen, ob alle Kulissen mit ca. 180x68cm Elementen baubar und vor allem filmbar sind. Damit ich nicht alle Kulissen vorher bauen muss, habe ich sie einfach auf Papier aufgemalt und auf eine Blanko-Kulisse geklebt. Deswegen nenne ich diesen Test den Papermatic.

Der Test ergab erstmal, dass die Kulissenhöhe von ca. 70cm ausreichend ist, aber noch genügend Platz für die Puppenspielerin lässt. 2m Länge der Tricktische waren auch ausreichend, bis auf die Anfangsszene. Hier zeigte der Papermatic deutlich, dass ich hier auf 3,6m verdoppeln musste.

Außerdem wurde klar, dass ich die Anfangsfahrt seitlich mit Dolly machen muss, da ein Hereinfahren eine riesige Kulisse benötigt hätte und dies wiederum eine Problem mit der Führung der Puppe ergeben hätte.

Am Papermatic konnte ich außerdem nochmal Story und Timing testen. Auch für die Absprache mit Puppenspielerin und Komponist war er eine große Hilfe.